Tanztherapie
= Die Choreografie des eigenen Lebens gestalten
Der
Mensch ist in der Lage, über sein Handeln nachzudenken, Erlebtes
nachzuspüren und er kann die Choreografie seines Lebens aktiv
gestalten. Genau diese Einzigartigkeit des Menschen ist vielen
verloren gegangen und der Preis sind mannigfaltige somatische und
psychische Störungen, die uns daran erinnern wollen, dass wir unser
Körper sind.
Die
Tanztherapie nutzt die uralten Heilaspekte des Tanzens, um den
Menschen zu seiner eigentlichen Bestimmung und Bestimmtheit
zurückzuführen:
-
Gemeinsame
Bewegungen, die in Form und Rhythmus synchronisiert sind, lassen uns
eingebunden sein in eine Gemeinschaft und somit das Grundbedürfnis
nach Zugehörigkeit erleben. -
Das
Erforschen, Ausdrücken und Gestalten innerer Zustände verbindet
das Innenleben mit der Außenwelt. -
Die
Neugestaltung (Choreografierung) des Lebens kann im geschützten
Rahmen der Tanztherapie erprobt werden. -
Nicht
integrierte Bewegungen und Körperteile werden ins Bewusstsein
geholt und ihrer Bestimmung zugeführt.
In
der westlichen Kultur wird der Tanz in den letzten Jahrhunderten zwar
immer noch als Form des Zusammenseins zelebriert, aber die
vielfältigen Formen der Gefühlsbewältigung, wozu der Tanz seit den
Anfängen genutzt wurde und in einigen Kulturen immer noch genutzt
wird, ist verloren gegangen. Hier knüpft die Tanztherapie an.
In
der Tanztherapie geht es um die Integration von bisher unentdeckten
und ungelebten Gefühlsinhalten, wodurch sich der Mensch in seiner
Ganzheit erfährt, Unentdecktes integriert, Unbelebtes reanimiert,
Angestrengtes eliminiert und Ressourcen entdeckt und für die
Lebensgestaltung nutzt. Das Gleichgewicht zwischen den Anforderungen
der Außenwelt und den Anliegen der Innenwelt wird wieder
hergestellt.
Grundlage
tanztherapeutischer Interventionen sind die Bewegungsanalyse und
deren entwicklungspsychologische und psychopathologische
Interpretation. Die Bewegungsanalyse stellt der Tanztherapeutin mehr
als 60 Beobachtungskriterien zur Verfügung, mit der sie die
individuellen Ressourcen und psychophysischen Zusammenhänge eines
jeden Menschen entdecken und entwickeln kann (Bender, 2014).
Bei
welchen Erkrankungen bzw. Diagnosen macht die Tanztherapie Sinn?
Die
tanztherapeutische Behandlung deckt das ganze Spektrum der
psychischen Erkrankungen ab. Wo Patienten verbal nicht zugänglich
sind, kann die Tanztherapie immer noch handeln, in Beziehung gehen
und neues Verhalten explorieren. Besonders psychiatrische Patienten
sind durch ihre Krankheit und Medikamentierung in ihren Bewegungen
häufig eingeschränkt. Der Tanztherapeut spiegelt und strukturiert
die Bewegungen der Patienten, gibt ihnen so das Gefühl des Gesehen-
und Verstanden-Werdens und eröffnet neue Möglichkeiten der
Bewegungs- und Beziehungsgestaltung. Ziele der Tanztherapie im
psychiatrischen Setting sind: Förderung der Körperwahrnehmung,
tänzerisch-spielerischer Zugang zu anderen Menschen, Entwicklung
eines realistischen Körperbildes, Förderung des Bewegungsausdrucks
in Kontakt mit sich selbst und anderen, Förderung der Eigen- und
Fremdwahrnehmung, Bearbeitung emotionaler Erlebnisinhalte durch die
Sicherheit und Struktur des Tanzrhythmus, Erwerb neuer
Beziehungsgestaltungen und Handlungskompetenzen. Der gemeinsame Tanz
verbindet die Patienten in einem sozialen Raum, der ihnen durch das
Herausfallen aus ihrem sozialen Kontext verloren gegangen ist, sodass
die emotionale und berufliche Stabilität der Patienten gefördert
wird.
Besonders
psychosomatische Beschwerden zeigen, dass der Körper durch ein
Symptom zu sprechen versucht, aber in seiner Sinngebung nicht gehört
wird. Über die Bewegung und den Tanz kann die Bedeutung des Symptoms
erkannt und die Lebensgestaltung entsprechend geändert werden. Auch
bei einer Depression oder Burn-out hat die Person die Zeichen des
Körpers zu lange überhört, bis dieser keine Energie mehr für die
Lebensbewältigung übrighat.
Das
Entdecken und Beleben der Körpererinnerungen bei Demenzkranken
stellt einen zunehmend wichtigeren Bereich der Tanztherapie dar.
Für
die Arbeit mit Kindern eignet sich häufig eine bewegungsorientierte
Therapie mehr als das Gespräch, weil das Kind sich in seinem Tun
emotional ausdrückt. Ebenfalls an Bedeutung gewinnen wird die Arbeit
mit somatisch erkrankten Menschen, weil jede somatische Erkrankung
immer auch Auswirkungen auf der psychischen Ebene hat.
Ist
die Wirksamkeit durch Studien belegt?
Wie
die Neurobiologie belegt, gelingen Veränderungen im Verhalten und im
psychischen Erleben nur durch ein ganzheitliches,
psychophysisch-therapeutisches Vorgehen. Der kreative Aspekt der
Tanztherapie setzt Ressourcen frei und lässt die Patienten einen
neuen Umgang mit sich selbst, der Krankheit und den Mitmenschen
finden. In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Studien und
Untersuchungen veröffentlicht worden, welche die Wirksamkeit bei
unterschiedlichsten Diagnosen belegen. Besonders in der
Rehabilitation sind beachtliche therapeutische Erfolge nachgewiesen.
http://www.btd-tanztherapie.de/pdf_oeffentlich/TT_Forschungsergebnisse.pdf
Welche
Ausbildungsmöglichkeiten gibt es?
Ab diesem Jahr gibt es endlich wieder eine Ausbildungsmöglichkeit in
Wien. Das EZETTHERA, Europäisches Zentrum für Tanztherapie –
www.tanztherapie-zentrum.eu
– bietet in Wien eine anerkannte Ausbildung an. Diese Ausbildung
qualifiziert zur Arbeit in allen etablierten (und noch neu zu
entdeckenden) Arbeitsfeldern. Mit dieser Ausbildung (und einer
Matura) kann man in einem einjährigen Kunsttherapie-Aufbaustudium an
der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien einen Master’s of Arts
(M.A.) erlangen
https://ptw.sfu.ac.at/studienangebot-ptw/universitaetslehrgaenge/universitaetslehrgang-kunsttherapie/angebot-an-alle-fertig-ausgebildeten-kunsttherapeuteninnen-upgrading-zum-m-a/
.
Literatur:
Bender,
Susanne (2014). Die psychophysische Bedeutung der Bewegung –
Handbuch der Laban Bewegungsanalyse und des Kestenberg Movement
Profiles. Berlin: Logos.
Bender,
Susanne (2014). Systemische Tanztherapie. München: Ernst
Reinhardt.
Schoop,
Trudi & Mitchell, Peggy (2007). Komm und tanz mit mir. Edition
Pelikan 3002.
Willke,
Elke; Hölter, Gerd, Petzold; Hilarion (Hrg.) (1992). Tanztherapie,
Theorie und Praxis. Paderborn: Junfermann.
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