Wie der Klangraum21 zur Semahane geweiht wurde
Ein dankbarer Rückblick

Ausschnitt KlangraumWie auf Choretaki bereits berichtet, wurde mit dem Klangraum 21 im Frühling 2019 in Ebertsheim, Rheinland-Pfalz, in der Alten Papierfabrik ein neuer Ort für Konzerte, Tanzseminare und Tagungen eröffnet. Für die Sängerin Ute Kreidler, Initiatorin und Betreiberin des Kulturzentrums, ging damit ein Herzenswunsch in Erfüllung, einen Ort zu schaffen für die Begegnung der Kulturen, einen Raum, wo Vielfalt gefeiert und gelebt werden kann.

Dieser Intention folgend, lud Ute zur Einweihung des Klangraumes als Semahane (Ort für Sufi-Drehtanzrituale) Mitte Juli 2019 nach Ebertsheim ein. Der Einladung folgten Teilnehmende aus insgesamt 11 Nationen, die am Gelände der Wohngemeinschaft bzw.in benachbarten Unterkünften untergebracht und in der Gemeinschaftsküche mit syrischer Küche liebevoll und köstlich verpflegt wurden.

Sikke-RumiIn einem 3-tägigen Seminar erhielten die Teilnehmenden in Ebertsheim zuerst eine Einführung bzw. Vertiefung in die Drehmeditation der Mevlevi Derwische unter der Leitung von Maria-Gabriele Wosien, die den Drehtanz im Jahre 1965 erlernte und seither in Kontakt ist mit Mitgliedern des Ordens, deren Abstammung auf den Sufi Mystiker Dschelaleddin Rumi zurückgeht. Danach erfolgte die Weihe des Tanzraumes zur Semahane mittels eines Sema-Rituals, das von befähigten Semazen (Drehtänzerinnen) in ihren Derwisch-Roben ausgeführt wurde. Um das Ritual als Sheikh zu leiten, war der gebürtige Italiener Dino Alloni aus Brasilien angereist, musikalisch begleitet wurde es von der Gruppe Hosh Neva aus Mannheim. Die vier Musiker sind türkischer Abstammung, der bekannte Sänger Bora Uymaz war extra zum Mukabele aus Izmir angereist.

 

Der lebendige Strom des Lebens ändert sich ständig. Lasst uns aus ihm trinken!
Und lasst seinen Geschmack uns lehren uns zu bewegen. (Mevlana Rumi)

Das Tanzritual der Mevlevi ist ein Auferstehungsritus, der das Prophetenwort “Stirb bevor du stirbst” zum Inhalt hat. Tanzte man ursprünglich aus Emotion, hat man später den zum Ritus gewordenen Tanz philosophisch ausgedeutet. Der Sema, auch Mukabele genannt, ist eine Erweiterung des im vorderen Orient allgemein verbreiteten Zikr – Exerzitiums, in welchem die geistige Welt unmittelbar erlebt werden kann durch die Impulse von Musik, Rhythmus und Dichtung. Mukabele bedeutet “von Angesicht zu Angesicht” was auf einen Koranvers zurückgeht, der besagt: “Wohin du dich auch wendest, siehst du das Angesicht Gottes”. Die Form des Rituals wurde durch Rumis Sohn, Sultan Weled, bis in alle Einzelheiten festgelegt und wird bis heute streng eingehalten. Der Weg der Derwische im Mevlevi Orden ist ein Weg der Liebe. Es geht darum “sich selbst zu sterben” um zum Diener an der Schöpfung zu werden.

Die Worte von Sheikh Resuhi Baykara, der Mitte der 1960-er Jahre dem Auftrag folgte, den Drehtanz im Westen zu verbreiten. mögen zum tieferen Verständnis beitragen (zitiert von M.G. Wosien im Seminar-Handout):

It is like this,” he said:
When you turn, you do not turn for yourself, but for God.
When we turn around in that way, we do so that the Light of God may descend upon the earth.
As you act as a channel in the turn, the light comes through the right hand,
and the left hand brings it into this world.
It is what you in the West call ‘alchemy’, for if you concentrate correctly in your prayer to God
then you make the necessary sacrifice of yourself.
In this way light, which contains within itself perfect order, is able to come through onto the earth.
We turn for God and the world, and it is the most beautiful thing you can imagine.
If you are quiet and in a state of prayer when you turn, offering erything of yourself to God,
then, when your body is spinning, there is a completely still point in the centre.
In the knowledge that there is only Him,
you can experience the universe round that still point.
The Heavens respond and all the invisible kingdoms join in the dance….”

 

Wosien - DrehtänzerWährend sich die Semazen für das Ritual einkleideten, stimmte sich die restliche Gruppe mit dem Singen religiöser Lieder darauf ein und lauschte andächtig den Klängen der Ney (Rohrflöte).

Derart vorbereitet, erlebten wir das Mukabele nicht aus der Distanz des Zuschauers sondern als unmittelbar Beteiligte, besonders beeindruckt vom Totaleinsatz der drehenden Semazen, die mit der Musik zu verschmelzen schienen. Noch nie zuvor hat mich ein Sema-Ritual so tief bewegt…..

 

 

Feuer-EbertsheimDen Abschluss der Festlichkeiten bildete am nächsten Morgen eine vedische Feuerzeremonie aus Anlass des hinduistischen Festtages Guru Purnima, verbunden mit der Initiation und Segnung des Ortes in indischer Tradition. 

Glücklich und dankbar dabei gewesen zu sein, trat ich die Heimreise an und hoffe, bald wieder zurück zu kommen.

Die nächste Gelegenheit für eine Einführung in Theorie und Praxis zur Tradition der Mevlevi-Drehmeditation im Klangraum21 bietet sich allen Interessierten von 18. - 20. Oktober 2019. Für jene, die bereits Übende sind, ist es eine Gelegenheit ihre Erfahrung zu vertiefen. Klicke hier um weitere Veranstaltungen im Klangraum21 anzusehen.

Abschließend ein herzliches Vergelt´s Gott an Ute, vor allem für ihren unglaublichen Einsatz und ihre liebevolle Fürsorge trotz aller Anstrengungen. Ihre künstlerischen Beiträge – der Ezzan (Gebetsruf) als Einstimmung am Morgen und ein Gesang der Hildegard von Bingen zum Abschluss der Einweihungszeremonie – empfand ich als kostbares Geschenk und sie klingen noch immer in meinen Ohren.

Segnung-UteKreidlerMöge vom Klangraum21 als Ort der Begegnung weiterhin viel Segen ausstrahlen - zum Wohle aller Menschen und der ganzen Welt!

 

Ulli Bixa, im August 2019