Regelmäßig findet bei den Dominikanern in der Wiener Innenstadt die Veranstaltung „Tanz als Gebet“ statt. Es ist dies ein Angebot der Dominikaner im Rahmen von „Schola Cordis – Schule christlicher Spiritualität“. Im interview erzählt die Tanzleiterin Ulli Bixa, über die Faszination des Tanzes. Die Interview-Fragen stellte Klaus Lukas Zimmermann, Pressesprecher der süddeutsch- österreichischen Dominikanerprovinz vom hl. Albert knapp vor der Coronazeit.
Was fasziniert Sie am Tanzen?
Ulli Bixa: Viele Gedichte und Geschichten wurden über das Tanzen geschrieben. Dennoch kann man anhand von Worten kaum nachvollziehen, was am Tanzen fasziniert – man muss es erleben. Tanzen eröffnet Räume: zusätzliche Ebenen des Verstehens, die oft nicht in Sprache zu fassen sind. Poesie kann dabei hilfreich sein. Folgender Auszug eines vielzitierten Gedichts ist dem Hl. Augustinus zugeschrieben: „Der Tanz befreit den Menschen von der Schwere der Dinge. Der Tanz, der alles fördert, Gesundheit und Klarheit im Geist. Der Tanz fordert den ganzen Menschen….“
Eine Teilnehmerin sagte einmal: im Sakralen Tanz darf ich immer wieder Lebensfreude, Ehrfurcht und mich selbst als Geschöpf im Hier und Jetzt erfahren...
Diese Kraft des Tanzes, den Menschen im Hier und Jetzt zu verankern, fasziniert auch mich. Der Tanz verlangt die absolute Präsenz. Wer sie nicht hat, kommt aus dem Tritt. Im Tanz als Gebet geht es darum, eins zu werden mit dem Schritt, mit der Gebärde und mit der Musik. Was entsteht, ist reines Geschenk, nämlich das Erfassen einer nicht benennbaren Wirklichkeit: eine Erfahrung der Einheit bei völligem Zurücktreten des Ego.
Das Sakrament des Augenblicks liegt darin, Gebet zu sein, nicht es zu machen. (Beatrice Grimm)
Tanzen und Gott. Welche Verbindung gibt es da?
Der Tanz ist so alt wie die Menschheit selbst. Schon der Mensch der Frühzeit tanzte um sich mit der Gottheit zu verbinden. In der hebräischen Bibel gibt es zahlreiche Hinweise auf den Tanz als kultisches Ereignis. Zum Dank und als Opfer gehörten Musik, Tanz und Gesang selbstverständlich mit dazu. Hinweise auf den Tanz als Ausdruck des Lobes gibt es zahlreich z.B. in den Psalmen. Bildliche Darstellungen von Musik und Reigentanz als Lobpreis findet man oftmals in den orthodoxen Kirchen u.a. am Berg Athos. Fresken aus dem 16./17.Jhdt. zeigen einen Frauenreigen, angeführt von einer Vortänzerin auf einem Rhythmusinstrument spielend. Auf einer zweiten Wandmalerei sieht man Männer in Kreuz (Korb-)fassung tanzen, eine im griechischen Volkstanz häufig vorkommende Handfassung.
Vieles an religiöser Tanztradition ist im Laufe der Zeit verschwunden. Das Bewusstsein für die Bedeutung des Leibes ist verloren gegangen. In frühchristlichen Überlieferungen finden sich in den Johannesapokryphen Hinweise, dass Christus seinen Jüngern als Vortänzer seine Sendung und Botschaft vermittelt hat. Für das Erleben und Verständnis fordert Christus als Reigenführer und Meister des Weges die aktive Teilnahme der Jünger ein mit den Worten: „wer nicht tanzt, begreift nicht, was sich begibt.“ Die Ordnung von Tanzchor und Reigenführer stellt bis heute das Modell der überlieferten Reigentänze Europas dar.
Einige Jahrhunderte später führte der Weg des Pilgers zum Altar in den gotischen Kathedralen häufig durch ein im Boden des Mittelschiffes eingelassenes Labyrinth, das dem christlichen Glauben entsprechend durch das Achsenkreuz strukturiert war. Vom Labyrinth der Kathedrale von Auxerre in Frankreich hat sich ein Bericht über einen Ritualtanz des Domkapitels erhalten. Es handelte sich um einen Tanz mit Ballspiel um das Labyrinth, der am Ostersonntag stattfand. Der Dekan in der Funktion des Stellvertreters Christi, vollzog als einziger den Todes- und Auferstehungsweg durch das Labyrinth und spielte die österliche Gnade in der Form des Sonnenballs auf dem Rückweg aus dem Labyrinth den im Reigen Tanzenden zu.
Auch vom Hl. Dominikus wissen wir, dass er den Leib in sein Gebet mit einbezogen hat, inspiriert von den Gebetshaltungen der Muslime. Von seiner Gotteserfahrung zutiefst ergriffen, fand Dominikus verschiedene leibliche Formen der Anbetung, die seine innere Haltung als Geschöpf dem Schöpfer gegenüber ausdrücken. Zugleich sind diese Gebetshaltungen auch Ausdruck des Erlebten. Diese Gebetshaltungen wurden nach seinem Vorbild bis zur Mitte des 14.Jhdt. gepflegt, meist als nächtliche, stille Übung, wie Dominikus es selbst tat. Danach verschwanden sie aus der Ordenspraxis. Trefflich erläutert wurden die 9 Gebetsweisen von einem unbekannten Verfasser in katalanischer Sprache um 1270 mit den Worten „Wo der Geist den Körper bewegt, wird er seinerseits vom Körper bewegt“
Sie bieten bei den Dominikanern regelmäßig das Seminar „Tanz als Gebet“ an. Welche Zielgruppe sprechen Sie an?
Kommen kann grundsätzlich jedeR. Der Tanzkreis steht offen für Frauen und Männer jeder Altersstufe. Zwischen 20 und 25 Personen nehmen bei uns an einem Abend teil. Es sind viele Menschen aus sozialen Berufen dabei, häufig aber auch Menschen, die auf der Suche sind nach einem alternativen Weg, ihren Glauben bzw. Gottesnähe zu erfahren.
Welche Vorkenntnisse sind für Einsteiger notwendig?
Es gibt keine Voraussetzungen. Man muss nur bereit sein einander im Kreis die Hände zu reichen und sich zu bewegen. Wichtig ist zu begreifen, dass es sich um einen spirituellen Übungsweg handelt, der eben nicht von Leistung geprägt ist und auch nicht die Perfektion der Schritte zum Ziel hat. Der Wert der Übung liegt im Tun selbst.
Welche Erfahrungen machen die Menschen in Ihren Seminaren?
Eine Teilnehmerin sagt: Es werden vor allem meine spirituellen Bedürfnisse genährt und ich bekomme so vieles geschenkt. Nicht nur Tänze und viel, viel Wissenswertes, sondern freudvolle Begegnungen, tiefe und berührende Erfahrungen in und mit mir, die unbändige Lust am Tanz und die Sehnsucht, immer weiter zu tanzen...
Nach Meister Eckehardt geht es im Gebet nicht um „reden mit Gott“ sondern um das „Ruhen in Gott“ Und in diesem Zustand der Ruhe öffnen sich die Augen der Seele. So liest man bei Johannes vom Kreuz, dem großen spanischen Mystiker, für den die Liebesbeziehung zwischen Gott und der menschlichen Seele das Leitmotiv seines Lebens war. Die Seele schlief nämlich einen Schlaf, aus dem sie von selbst nicht zu erwachen vermochte. Nur Gott konnte sie wecken und ihr die Augen öffnen. Deshalb spricht die Seele ganz richtig vom Erwachen Gottes, indem sie sagt: „Du erwachst in meinem Herzen.“
In der jüdischen Tradition wird Gebet verstanden als die Pflege einer Herzensverbindung mit Gott. Weil das Herz das Kernstück jeder seelischen Verbindung ist, soll dieser besondere Zustand der Herzensverbindung regelmäßig geübt werden. Man spricht vom Gebet auch als Zeitinsel, die der Seele Raum gibt um zu wachsen, Schritt für Schritt. Die Motivation der Seele zu wachsen ist allein ihre Sehnsucht nach Ganzheit.
Die menschliche Sehnsucht nach Anbindung/ Rückbindung (lat. religio) ist schließlich ein universelles Menschheitsthema und wird in den Weltreligionen insbesondere in der Mystik thematisiert. Das Gefühl des Getrenntseins von Gott/ vom Urgrund allen Seins/ von der großen Mutter, gilt als tiefste Ursache des menschlichen Leidens.
Im Tanz als Gebet wird der Mensch wieder in die Einheit mit seinem Schöpfer zurück gegeben – in der göttlichen Gegenwart des Augenblicks (Maria Gabriele Wosien)
Wie sind Sie zum Tanzen gekommen?
Musik, Rhythmus und Bewegung waren für mich seit Kindheit wichtig. Ich lernte Klavier spielen und entschloss mich zunächst für ein Studium der Musikpädagogik am Konservatorium der Stadt Wien (heute MUK – Musik und Kunst Privatuniversität). Die Liebe zur rhythmischen Bewegung führte mich am Ende der 1980er Jahre zur intensiven Beschäftigung mit den Kreistanztraditionen Süd- und Osteuropas. Prägend für meinen weiteren beruflichen Weg wurden eine Ausbildung zur integrativen Tanzpädagogin (AGB), eine mehrjährige Fortbildung im Sakralen Tanz und anschließende Zusammenarbeit mit Maria Gabriele Wosien sowie ein Studium der Weltreligionen. Seit ca 20 Jahren leite ich Seminare und fortlaufende Gruppen zum Thema Sakraler Tanz – Tanz als Gebet in verschiedenen Bildungseinrichtungen in Österreich sowie im benachbarten Ausland. https://www.choretaki.com/profil/ulli-bixa
Text und Fotos: Ulli Bixa
Foto1: Eingang zum Thomas-Saal der Dominikaner, 1010 Wien, Postgasse 4
Foto2: Innenansicht des Thomas-Saales, der uns für die Tanz als Gebet Abende zu Verfügung gestellt wird.
Verwendete Literatur:
Maria-Gabriele Wosien (2011) Sakraler Tanz – Tanz als Gebet, Metanoia-Verlag
Willigis Jäger (2015) Kontemplatives Beten, Einführung nach Johannes vom Kreuz, Vier-Türme-Verlag
Monika Renz (2010) Der Mensch - ein Wesen der Sehnsucht, Connected or Disconnected, Jungfermann Verlag
Rückfragen per Email an Ulli Bixa: ubixa(at)choretaki.com
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