Zwischen Tanzlust und Todesangst - eine Epidemie polarisiert die Gesellschaft

CoverWien 1873: Die Stadt feiert die Weltausstellung, während sich über Galizien und Ungarn die Cholera nähert. Die Idee, durch den Bau der Wiener Hochquellwasserleitung die Bevölkerung mit kristallklarem Wasser vor der Epidemie zu schützen, trifft auf massiven Widerstand. Das Projekt sei größenwahnsinnig und überflüssig. Doch dann sterben die ersten Gäste...

Der 1873 entbrannte Streit ähnelt den Ereignissen der Gegenwart, selbst die Kampagnenschlagwörter sind die gleichen. Spannend und verblüffend aktuell erzählt Alexander Bartl, wie die Seuchen die Gesellschaft verändern.

Ein Buch, minutiös recherchiert, mit höchst lesenswerten Geschichten über Menschen im Ausnahmezustand und die Sehnsucht nach Normalität. Tanzlust und Walzer sind - entgegen der im Titel möglicherweise geweckten Erwartung - zwar nicht das Hauptthema des Buches aber dennoch eine spannende Facette in der Schilderung der Wiener Gesellschaft.

Alexander Bartl wurde 1976 in Wien geboren, absolvierte eine Ballettausbildung an der Wiener Staatsoper und studierte danach Film-, Theaterwissenschaft und Publizistik in Mainz und Edingburgh. Als Journalist schrieb er auch für die Frankfurter Allgemeine und für das österreichische Nachrichtenmagazin Profil. Heute arbeitet Bartl als Textchef für Focus in Berlin.

 

»Trotz ihrer Lebensfreude waren die Wiener nicht geschont worden. Trotz der Tragödie tanzten sie weiter. Auch der Vater des Schriftstellers Oscar Wilde, der Arzt William Wilde, der unmittelbar nach der ersten Pandemie bei Josef Skoda im Allgemeinen Krankenhaus hospitierte, staunte über die 'Tanz-Manie' in den Wirtshäusern und sogar auf den Straßen. 'Es ist wirklich berauschend für einen Fremden, so viele Dinge um einen herum zu sehen, die sich im Kreis drehen Männer, Frauen und Kinder - [...] die Glücklichen und die Melancholischen', notierte der junge Mediziner. Kaum ertöne irgendwo ein Walzer, springe der Kutscher von seinem Wagen, lasse die Wäscherin ihren Korb fallen, und Arm in Arm drehten sie sich im Takt. Der Walzer war in den Jahren der Cholera zu einem der erfolgreichsten Exportprodukte der Monarchie aufgestiegen ...«

Tanzgattung