Laura Shannon veranstaltet seit vielen Jahren jährlich ein bis zwei Tanzreisen nach Taroudant in Südmarokko. Ich habe nun zum dritten und sicher nicht zum letzten Mal an einer solchen Tanzreise teilgenommen. In diesem Blog berichte ich nicht nur über die Reise, sondern wage auch den Versuch aus meinen Beobachtungen darzustellen, was die Faszination von Südmarokko in Bezug auf die Frauentänze für mich ausmacht. Diese Beobachtungen gründen sich auf dem, was ich von Laura Shannon über die Kultur Südmarokkos und über traditionellen Frauentanz und traditionelle Frauenkultur gelernt habe.
Das Leben in Südmarokko ist einerseits geprägt von der uralten Berberkultur, die stark mit der Natur verbunden ist, in der Frauen gewürdigt werden und andererseits dem Sufismus, in dem die bedingungslose Liebe zu den Menschen und zur Natur und die Verbundenheit aller im Mittelpunkt steht. Vom Gesetz her haben Frauen und Männer in Marokko die gleichen Rechte, wobei natürlich auch hier der soziale Status, der Zugang zu Bildung Einfluss darauf haben, ob die Frauenrechte umgesetzt werden.
Was ich hier im Süden sehen und erleben durfte war, dass die Berberfrauen eine innere Würde, Zufriedenheit und Schönheit ausstrahlen, sie verschleiern ihr Gesicht nicht und sie tragen ihr Kopftuch voller Stolz und Anmut, wie eine Krone.
Von Taroudant aus sind die mächtigen Berge des Atlasgebirges zu sehen und so ist es sicher kein Zufall, dass in den traditionellen Stickmustern der Berberfrauen das dreieckige Symbol der Berggöttin ein wiederkehrendes Motiv ist. Dieses Motiv findet sich auch in den traditionellen Stickmustern des Balkans.
Die diesjährige Reise dauerte eine Woche und die Besonderheit war, dass auch Lauras langjährige Freundin Shakeh Major Tchilingirian, Lehrerin für armenische Tänze, an dieser Reise teilnahm, neben weiteren 15 wunderbaren Frauen aus Österreich, Deutschland, Schottland, Kanada und den USA.
Das Spezielle an den Tanzreisen mit Laura ist, dass sie uns einlädt in die Kultur des Landes einzutauchen und daran teilzuhaben. So passen wir uns in unserem Kleidungsstil den Gegebenheiten des Landes an, tragen lange Röcke oder Hosen, bedecken unsere Arme und auch unser Haar. Indem wir so die Kultur des Gastlandes respektieren, werden wir überall mit offen Armen und Herzen empfangen.
Auch die Einladung in den Tanzeinheiten, einen knöchellangen Rock zu tragen und sich so mit der lebensspenden Frauenkraft der Berggöttin zu verbinden, hat diese Verbundenheit ermöglicht.
Gewohnt haben wir wieder im La Maison Anglaise, das sich seit 2020 nicht mehr innerhalb der Stadtmauern von Taroudant befindet, sondern außerhalb neu gebaut wurde. Und es war fast ein magischer Moment diesen Ort das erste Mal zu sehen: er ist für mich eine Offenbarung von Schönheit und Schutz; umgeben von Mauern eröffnet sich ein blühender Garten mit vielen schönen Plätzen zum Verweilen, in dem stilvoll eingebettet die Zimmer liegen. Es hat mich sehr an den geschützten Garten erinnert, von dem Laura immer wieder spricht und der auch in den Tanzliedern vorkommt.
Ein mystischer Ort ist auch der Tanzplatz im Freien, wo wir jeden Morgen mit unseren Tänzen den Tag begrüßten, während langsam die Sonne ihre Strahlen über uns ausbreitete.
Am zweiten Tag gab es einen Ausflug in eine Frauenkooperative zur Herstellung von Arganöl und wir wurden damit überrascht, dass einige der Arbeiterinnen für uns musizierten, sangen, tanzten und uns zum Tanzen einluden, wobei sie nicht nur diverse Rahmentrommeln und Handclaps, sondern auch leere Wasserkanister als Trommeln und Werkzeuge als Schlagzeug verwendeten
Wir waren alle sehr berührt von der Kraft, Schönheit, Fröhlichkeit und Würde dieser Frauen und ihrer Offenheit uns gegenüber. Für Interessierte bestand die Möglichkeit zum Besuch eines Hamams oder eines Spaziergangs durch den Souk.
Ein besonderes Erlebnis war auch wieder der Besuch des „Palais Claudio Bravo“, ein wunderschönes Anwesen, das der chilenisch Maler Claudio Bravo geplant und errichtet hat und das dem Tadsch Mahal nachempfunden wurde.
Das Regenbraut (Taghonja) Ritual
Am vorletzten Tag erhielten wir noch einen besonderen Einblick in die Frauenrituale der Berber, der sicher nicht allen Besuchern gewährt wird: Wir durften von einer Berberfrau lernen, wie ein traditioneller Brautschmuck, eine Kette aus Gewürznelken, roten Perlen verziert mit einer silbernen Hamsa (Hand der Fatima) hergestellt wird. Diese Kette fand dann Verwendung, als am Abend ein uraltes Ritual, in dem um Regen gebeten wird, das „Taghonja (Regenbraut) Ritual“, mit uns gefeiert wurde. Dabei wird aus großen Holzkellen eine Puppe gefertigt wunderschön gekleidet und geschmückt, die die Regenbraut darstellt. Wir wurden von einer professionellen Frauenband begleitet, die anschließend an das Ritual für uns ihre traditionellen Lieder, Gebete und Tänze darboten und uns zum Mittanzen einluden.
Dieses außergewöhnliche Erlebnis verdanken wir Lauras jahrelangen Bemühungen um die Erforschung und Wiederbelebung dieser traditionellen Zeremonie in Zusammenarbeit mit unseren Berberfreundinnen, die das Ritual des Regenbringens, an das sie sich noch aus ihrer Kindheit erinnerten, mit Begeisterung für uns nachstellten.
Der letzte Tag diente dazu in drei Tanzeinheiten unsere gelernten Tänze zu vertiefen, gemeinsam auf unsere inspirierende Reise zurückzublicken und uns über unsere Erfahrungen auszutauschen.
Der Abschied von diesem wunderbaren Ort fiel uns allen schwer, aber die Erinnerung bleibt in unserem Herzen.
Alle, die mehr über die Frauenkultur in Südmarokko erfahren möchten, seien speziell diese beiden Artikel von Laura Shannon empfohlen:
'Am Webstuhl des Lebens: Weben und Tanzen von Frauen der Berber und auf dem Balkan' und 'Der Tanz der Berggöttin von Marokko', unter https://uniog.academia.edu/LauraShannon
'Um Regen tanzen: Lebensspendendes Geschenk des Himmels an die Erde' Blog auf choretaki.com 3.9.2014
Weitere Artikel (auf Englisch und Deutsch) sind erhältlich unter
https://www.laurashannon.net/articles
Comments
Toller Bericht, liebe Monika.
Nächstes Jahr bin ich auch wieder dabei.
Herzliche Grüße
Beate