Das Bildungshaus
tanzt – tanzen Sie mit!
Mit diesem Aufruf lädt das Bildungshaus alljährlich am
Welttanztag zu einem Fest der Begegnung. Der „World Dance Day“ wurde 1982 von
der UNESCO ins Leben gerufen in der Absicht, die Aufmerksamkeit eines größeren
Publikums auf den Tanz zu lenken und auf dessen Beitrag zur interkulturellen
Verständigung. Und tatsächlich stellt der Welttanztag in Großrußbach für viele eine
besondere Attraktion dar: Sei es durch die Mitwirkung des ukrainischen
Musik-und Tanzensembles Ozorniye
Naigrishi und die Anleitung des Tanzpädagogen russisch-niederländischer Abstammung, Hennie Konings, oder durch den Auftritt der Tanzgruppe Kitka, einer Formation von in Wien lebenden Bulgarinnen in
ihren farbenfrohen Trachten und das gemeinsame Tanzen mit der bekannten Ethnochoreologin
und Kommunikationswissenschaftlerin Gergana Panova
aus Sofia. Zuletzt, im Jahr 2012 durch das rauschende Fest, gestaltet von dem beliebten
Tanzlehrer Thomas Chamalidis
gemeinsam mit der griechischen Sängerin Olga Kessaris & Band, das einmal
mehr große Begeisterung unter den Teilnehmenden hervorrief.
Tanzen im
interkulturellen Dialog
Aber nicht nur am Welttanztag sondern auch zu vielen anderen
Gelegenheiten wird in Großrußbach getanzt, und das seit bald 25 Jahren. Blickt
man in den Tanzkalender des Bildungshauses, so wird rasch klar welch
umfangreichen Programmschwerpunkt der Tanz einnimmt. Dabei ist die Förderung
des interkulturellen Dialogs ein zentraler Aspekt, warum Tanzseminare angeboten
werden. Neben den bereits erwähnten Festen zum Welttanztag finden Interessierte
ein reiches Angebot von durchschnittlich 15 Seminaren pro Jahr mit Tänzen aus Ägypten,
Armenien, Bulgarien, Griechenland, Makedonien, Rumänien, Russland, Serbien, der
Türkei, der Roma, der Chassiden und mehr. Es ist möglich, tageweise, über
Wochenenden oder auch mehrtägig in Form von Seminaren, Lehrgängen und Festen zu
tanzen. Ob tanzerfahren oder weniger geübt, für jedermann/ -frau ist etwas
dabei.
Kein Wunder also, dass das Bildungshaus mit seinen
internationalen Tanzangeboten mittlerweile bis weit über die Grenzen
Österreichs bekannt und beliebt geworden ist. Denn die Seminare ermöglichen den
aus nah und fern Angereisten nicht nur die verschiedenen Schritte und Tanzstile
zu lernen, sondern auch über die kulturelle Einbettung der Tänze und das Leben
der Menschen. Nicht der sportliche Aspekt oder die körperliche Ertüchtigung
stehen im Vordergrund sondern die Erschließung
der Kulturen und das Erleben von
Gemeinschaft. So tanzten die Kursteilnehmer/innen bei den Seminaren „Tanz
ins Neue Jahr“ den Donauwalzer zusammen mit dem bulgarischen Dunavsko Horo
(Donauer Reigen) oder lernten ein Sylvesterlied in ukrainischer Sprache und verzehrten
mit Genuss die russische Spezialität „Hering im Pelzmantel“, die die
ambitionierte Küche des Bildungshauses nach einem traditionellen Rezept
zubereitet hatte. Umgekehrt wird von den Gästen der Besuch der Sternsinger als
Beispiel lebendigen Brauchtums sowie der damit verbundene Neujahrssegen mit Freude
wahrgenommen. Ebenso großer Beliebtheit erfreuen sich die jeweils im Juli
stattfindenden Sommertanztage, wo die Teilnehmenden sich sogar einige Male am
Ferienspiel der Marktgemeinde beteiligten und an ihrem freien Nachmittag mit
den zahlreich erschienen Kindern eine Tanzreise um die Welt unternahmen.
Lebensfreude und Begeisterung sowie die Verbundenheit im
Kreis, das sind Erfahrungen, die vielen Kursteilnehmer/innen zur bleibenden
Erinnerung geworden sind. Besonders intensiv wird dies erlebt, wenn der Tanz
von Live-Musik begleitet wird z.B. von dem Akkordeonspieler Isaak Loberan und
dem Ensemble Sholem Aleychem bei den
Seminaren „Jüdische Tänze aus Osteuropa“ in den Jahren 2003-2007 oder anlässlich
der Sommertanztage 2004, wo sich mehr als 50 Leute zur Musik der Balkan/
Roma-Band Xenos im großen Kreis um den
Lindenbaum im Innenhof des Bildungshauses die Hände reichten. Auch die griechischen
Tanzfeste mit den Brüdern Nektarios (Lyra) und Eftychis Kostakis (Laute) aus
Kreta, in Zusammenarbeit mit dem griechisch orthodoxen Theologen Kyriakos Chamalidis
und Sohn Thomas, seien hier genannt. Gemeinsam mit diesen beiden versierten
Tanzlehrern unternahmen Interessierte zudem die beiden unvergesslichen Tanz-
und Kulturreisen „Auf den Spuren des Apostels Paulus“ nach Griechenland (2009)
und in die Türkei (2011).
Sakraler Tanz
Die ursprünglichste Form Gott und seine Schöpfung zu loben,
erfolgt durch Musik und Tanz. Etliche Bibelstellen verweisen darauf. Allerdings
sind im Laufe der Zeit unsere Gebetsgebärden verkümmert. Das Falten der Hände,
das Aufstehen oder das Niederknien sind spärliche Relikte einer einst reichen Ausdruckssprache.
Der Sakrale Tanz gibt dem Menschen die Chance, die vergessenen Ausdrucksformen des Körpers zum Lobe Gottes wieder zu
entdecken. Geleitet von Dr. Maria Gabriele Wosien, Tanzpädagogin,
Schriftstellerin u. Choreografin, hat der Sakrale Tanz im Bildungshaus bereits lange
Tradition und nachhaltige Wirkung. Seit dem Frühjahr 1990 erwuchsen tragfähige
Beziehungen insbesondere durch eine 12-teilige Weiterbildung in den Jahren
2002/03 mit Teilnehmenden aus Österreich, der Schweiz, Dänemark, Tschechien und
Polen sowie durch zahlreiche Seminare für kirchliche Mitarbeiterinnen, Angehörige
sozialer Berufe und andere Interessierte. Dabei zählen das „Getanzte Abendlob“
2003 und die „Feier des bewegten Gebets“ 2010 im Wiener Stephansdom zu den besonderen
„Highlights“. Teilnehmer/ innen aus ganz Europa waren angereist um die Tänze im
Vorfeld und unter der musikalischen Leitung von Domkapellmeister Prof. Markus
Landerer einzuüben und die zahlreichen Gläubigen mit ihrer Darbietung im Innersten
zu bewegen. Zudem vollzog Dompfarrer Mag. Toni Faber anhand von Texten aus der
christlichen Mystik die Anbindung an das Geschehen als einen Weg vom Dunkel zum
Licht, der schließlich in ein freudiges „Jubilate Deo“ mündete und die
Anwesenden dazu bewegte, in das getanzte Gotteslob freudig einzustimmen.
Unter den zahlreichen Projekten sei abschließend noch eines
hervorgehoben, mit dem das Bildungshaus 2008 einen wertvollen Beitrag zu der
dreiteiligen Publikation „Lettland – Tanzrituale und Symbole“ (Buch, CD, DVD) leistete.
Der Intention folgend, die Akzeptanz von Vergessenem oder Unbekanntem zu
fördern, um so die Menschen eigenständiger Kulturkreise einander näher zu
bringen, stellte es sich als Produktionsort jener Filmszenen zu Verfügung, die später
gemeinsam mit Wort und Ton zu einer Darstellung der faszinierenden lettischen
Volkskultur verarbeitet wurden. Der menschliche Lebensweg, im jahreszeitlichen
Wandel der Natur, ist dort Abbild des Schöpfungsweges. Er wird begleitet von
mythischen Gesängen - den dainas, den
heiligen Zeichen - den zimes, und von
Tanz.
Tanz als Methode
Der dritte für das Tanzprogramm maßgebliche Aspekt bezieht
sich auf den Einsatz von Tanz zur
Gestaltung von Gruppenprozessen. Die Lehrgänge für Kreis- und Gruppentanz
„rockig-traditionell-meditativ“ der schweizerischen Kreistanzschule ChoRa unter
der Leitung von Adrian Gut, vermitteln seit 2006 exzellentes Handwerkszeug für die Schule als
Auflockerung, für den Unterricht, aber auch für die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit, für die Arbeit in
Pfarren, mit Senioren, für die Erwachsenenbildung und überhaupt für Feste und Feiern im kleineren und
größeren Kreis. Aber auch für die Bewältigung von Trauer eignet sich Tanz hervorragend,
was Kyriakos Chamalidis mit seinen Seminarangeboten „Trauer durch Tanz
überwinden“ seit Jahren eindrucksvoll unter Beweis stellt. Über den Tanz werden
Wege gesucht, komplexe, verschüttete, erstarrte, verzerrte Emotionen nonverbal
an die Oberfläche zu bringen und zuzulassen. Sein neues Angebot ab Ende 2013
richtet sich an Hospizmitarbeiter/innen, Seelsorger/innen, Sozialarbeiter/innen
und alle, die am Thema Trauerarbeit interessiert
sind bzw. die Methode „Tanz“ für spezielle Gruppensituationen erlernen wollen.
Ziel der 4-teiligen Fortbildung ist es, Menschen in ihrer Trauer begleiten zu
können, sie zu ermutigen ihre Trauer zu entdecken, zu verarbeiten und zu
verabschieden.
Faktoren für die
Schwerpunktbildung
Aber wie konnte sich der Tanz zu einem Schwerpunkt des Bildungshauses
entwickeln?
Viele Faktoren kommen zusammen und die folgenden Zeilen mögen
gleichzeitig als Danksagung gelten an alle, die dazu beigetragen haben, dass
der Tanz im Bildungshaus ein Stück Heimat gefunden hat und so viele Menschen dadurch
wertvolle Impulse für ihre persönliche Entwicklung erhalten haben.
Am Anfang standen „Kairos“, die glückliche Fügung, und meine
daraus resultierende Freundschaft zu Kyriakos Chamalidis, seine ansteckende Begeisterung
für den griechischen Tanz und die Erfahrung, dass die traditionellen Kreistänze
eine unerschöpfliche Kraft- und Heilquelle darstellen für jene, die sich darauf
einlassen. Das Bildungshaus bietet ideale Rahmenbedingungen dafür, nicht nur
durch die räumlichen Voraussetzungen wie z.B. den großen Festsaal, sondern
durch die gesamte Infrastruktur und Atmosphäre, die Wohlbefinden und
persönlichen Austausch auch außerhalb des Kursbetriebes fördert. Als Kursorganisatorin
und Tanzleiterin kann ich sagen, dass ich bisher nirgendwo bessere Bedingungen für
den Tanz vorgefunden habe. Für die langjährige Zusammenarbeit, die von
Vertrauen und Konstanz sowie von Offenheit und Flexibilität geprägt ist, bin
ich sehr dankbar. Nur dadurch war es mir möglich, das Tanzprogramm so
vielfältig zu entwickeln. Besonders freut es mich, dass auch die weit
gereisten, international tätigen Tanzreferent/ innen dies lobend bestätigen und
den Einladungen nach Großrußbach immer wieder gerne folgen.
Im Namen der gesamten Tanz-Community möchte ich dem
Bildungshaus und allen Mitarbeiter/ innen zum 60-jährigen Bestandsjubiläum
herzlich gratulieren und alles erdenklich Gute wünschen! Möge es gelingen, dem Geist
weiterhin Raum zu geben und den Fortbestand des Hauses noch viele Jahre zu
sichern.
Ulli
Bixa MSc, freie Mitarbeiterin, Organisation
und Kursbegleitung im Bereich „Tanz“ des Bildungshauses Schloss Großrußbach.
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