Raqs Sharqi, wörtlich übersetzt „Tanz des Ostens“ blickt auf eine lange Tradition zurück. Diese uralte weibliche Tanzform wurde seit Jahrtausenden in mündlicher Tradition überliefert und erfährt heute eine neue Blüte durch die Bereicherung mit modernen Bewegungstechniken.
Grundlagen des Ägyptischen Tanzes und all seiner Stilrichtungen sind die Einfachheit der Bewegungen und die Natürlichkeit im Sein. Es ist ein Tanz aus der Körpermitte, ein Wechselspiel zwischen "Versammeln" und "Fließen lassen". Kraftvolle Geschmeidigkeit und weiche Gelassenheit machen den Zauber dieser besonderen Tanzart aus. Erdige, fließende Bewegungen drücken die Schönheit und Würde des Raqs Sharqi aus, der nordafrikanische und orientalische Elemente auch mit Einflüssen aus dem Modernen Tanz vereint.
Entsprechend unterschiedlicher ägyptischer Musiktraditionen haben sich drei Formen des Raqs Sharqi herauskristallisiert: Shaabi, Baladi und
Sharqi
Shaabi (= das Volk, volkstümlich)
Der
Tanz der Landbevölkerung, Beduinen, „Fellahin“ (Bauern) und der „Ghawazee“(1) - ägyptischen Zigeunerinnen - verkörpert als
tänzerisches Ideal: Natürlichkeit, Erdigkeit, Verankerung im
Schwerpunkt, kraftvolle Hüftbewegungen, Ruhe und Zentriertheit von Oberkörper und Kopf, integrierte Arme und ganzheitlicher Bewegungsfluss. Shaabi kann langsam und getragen, aber auch feurig und temperamentvoll sein. Er kann sowohl alleine als auch in der Gruppe getanzt werden.
Wesentliche Instrumente dieser Musik
sind: Rababa (2) (Vorgängerin der Geige), Arghul (3) (Doppelrohrflöte,
Vorgängerin des Saxophons), Nai (4) (kleine Rohrflöte), Tabla (5)
(Trommel), Duff (Rahmentrommel)
Weltbekannt für Shaabi-Musik aus Oberägypten wurden die "Musicians of the Nile"
https://www.youtube.com/watch?v=tztdKPKJtYo
Baladi (= mein Land, vom Lande kommend)
Der Baladi entstand aus dem Shaabi im Zuge der Urbanisierung Ägyptens vor über hundert Jahren. Dieser vielseitige Musik- und Tanzstil verbindet Lebensfreude mit Melancholie und wurde oft in städtischen Cafés vorgeführt. Durch die Integration westlicher Instrumente wie dem Saxophon oder dem Akkordeon erhielt der Baladi seine einzigartige Note. Er verknüpft das Lebensgefühl und die Mentalität derer, die - einst vom Lande stammend - arbeitssuchend und nach einer besseren Welt strebend
nach Kairo zuwanderten und ihre eigene Musik- und Tanzkultur mitbrachten. Baladi ist reich an binnenkörperlichen Bewegungen und sollte durch viel Gefühl und Intensität zum Ausdruck gebracht werden.
Ein wesentliches Merkmal ist das zentrale Element der Improvisation. Musiker und Tänzerinnen improvisieren innerhalb einer Grundstruktur, die im Laufe der Zeit komplexer wird.
Der Musik haftet häufig eine Sehnsucht und Wehmut um
verlorengegangene Bezüge an, was den Baladi zum „Blues Ägyptens“ macht.
Sharqi (Klassischer Tanz)
Traditioneller klassischer (höfischer) Tanz
Während Baladi ursprünglich die Kunst des einfachen Volkes war, geht Sharqi auf die Musik und den Tanz zurück, der an den Höfen und in den reichen Häusern Ägyptens gepflegt wurde. Der feine höfische Classical oder Courtly gehörte bereits in früher Zeit der anspruchsvollen Unterhaltung von Kalifen, Emiren und Sultanen.
Besonders im 10./11. Jhdt. und später im 18. Jhdt. stand die
höfische Musik in voller Blüte und war geprägt von großer
Ausdruckskraft. Die „Awalim", in Musik, Tanz, Dichtung und
Gesang ausgebildete Frauen, die am Hofe mit einem kleinen
Musikensemble auftraten und diese verfeinerte Kunstform mit
Raffinesse, Verzückung und doch Unnahbarkeit darboten. Wesentliche Instrumente für das „Takht“-Orchester sind die Ney (Flöte), Oud (Laute), Qanun (Zither), Req (Tambourin) und Kamanga (Violine).
Moderner
klassischer Tanz
Mit der
Modernisierung Ägyptens in den 30er, 40er und 50er Jahren veränderte sich auch die Sharqi-Musik. Westliche Einflüsse, die Einführung neuer Instrumente und die Erweiterung des traditionellen Orchesters führen zu einer „neuen“ Musik und zu einer raumgreifenderen und bühnenwirksameren Art zu tanzen. Elemente aus westlichen Tänzen, z. B. aus dem Ballett, werden in den ägyptischen
Tanz eingeflochten.
Berühmten Komponisten und Künstlern wie Farid el Atrache und Mohammed Abdel Wahab gelang es, die Musik zu modernisieren, ohne ihr den ägyptischen Charakter zu nehmen. Vor allem die Tänzerinnen Tahia Cariocca und Samia Gamal haben diesen Raum einnehmenden, ausschweifenden Stil geprägt der zu dieser Zeit
oft in Filmen im Hollywoodstil zu sehen war.
Warum ägyptischer Tanz?
In der
Geborgenheit einer Frauengruppe konkurrenzlos miteinander zu tanzen,
stärkt und verbindet. Unabhängig von Figur, Alter und Tanzerfahrung
kann sich jede Frau in Ihrer Einzigartigkeit erleben.
Ziel der
Kurse und Workshops von Astrid Pinter und Brigitte Ferchichi ist es,
abseits aller Klischees, eine Begegnung mit dem Ägyptischen Tanz zu
ermöglichen, die das Selbstbewusstsein, den Genuss und die
Entspannung auf lustvolle und bewegende Art vereint.
Video- und Tondokumente
(1) Egyptian Ghawazi - Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm "The romani trail" (leider sehr schlechte Qualität):
https://www.youtube.com/watch?v=J8lkFT0essM
(2) Rababa: eines der ältesten Saiteninstrumente, ursprünglich z.B. aus einer halben Kokosnuss oder einem Schildkrötenpanzer, bespannt mit Schaf- oder Fischhaut und nur einer Saite, heute zwei Saiten, wird mit einem Bogen gespielt, kam über Andalusien nach Europa („Fiedel“), später Violine https://www.youtube.com/watch?v=xIB7rqnnCho
(3) Arghul: Doppel-Bambusflöte mit einem Bordunrohr, wird mit Zirkularatmung gespielt, geht auf das Alte Reich in Ägypten zurück (bis ca. 2.700 v. Chr.)
https://www.youtube.com/watch?v=MXFK1DVgRyY
(4) Nay: https://www.youtube.com/watch?v=Ac2g5NW9RhU
(5) Darbuka (Tabla): https://www.youtube.com/watch?v=ETqxyA9b3BY
Hier noch einige Beispiele für zeitgenössischen Ausdruck von traditioneller Ägyptischer Musik und Ägyptischem Tanz:
El Tanbura: https://www.youtube.com/watch?v=yJPRMRzyZMs
The Nile Project: https://www.youtube.com/watch?v=HqNn4xeub2A
und ein Zufallsfund aus Oberägypten (Luxor): Village Dancers - Mädchen tanzen auf der Straße bei einer Hochzeit https://www.youtube.com/watch?v=cunFx64BK2Q
Fotos: Astrid Pinter & Brigitte Ferchichi
Text: Brigitte Ferchichi
Anmerkungen und Links: Astrid Pinter
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