ZUR EINFÜHRUNG

 

‚Sei gegrüßt…‘:

Verkünidung-griech.Steinrelief

Verkündigung. Griechisches Steinrelief.

 

Der ‚Hymnos Akathistos an die allerheiligste Gottesgebärerin und immerwährende Jungfrau Maria‘ ist ein kirchliches Marienlob aus dem Konstantinopel des 7. Jahrhunderts. Der Hymnos wird besonders in der Fastenzeit, an den fünf Freitagen vor Ostern in allen orthodoxen Gemeinden zur geistigen Vorbereitung für die Osterliturgie gesungen.

Als älteste und auch schönste Mariendichtung meditiert der Hymnos über das neue Schöpfungswunder der Menschwerdung Christi aus Maria und sein Wirken durch die Zeiten hindurch. Jedes der hier vorgestellten Zitate aus dem Hymnus ist in einem der fünf Gebetstänze veranschaulicht.

Die griechische Bezeichnung für die Gottesmutter ‚Platytera‘ (griech.: platys = weit, breit) ist der ‚Basilius Liturgie‘ entnommen, in der diese auch als gepriesen wird: Platytera ton Ouranon - ‚die umfassender ist als die Himmel‘: ‚Deinen Leib gestaltete Er umfangreicher als die Himmel‘.

Die Ikonen der Ostkirche suchen das ewige Bild, den geistigen Kosmos, dadurch nahe zu bringen, dass der Umriss des zu gestaltenden Bildes, d.h. seine Erscheinung, zuerst eingeritzt wird und dann durch seine Komposition und Farbgebung dem Betrachter eine Rückspiegelung der Ewigkeit ermöglicht.

MariaKnotenlöserin-Altarbild

Maria-Knotenlöserin, St. Peterskirche, Augsburg, Ölgemälde um 1700. Maria steht über der Mondsichel unter der Taube als Symbol des Geistes. Sie erscheint in einer Sonnenaura und ist umgeben von dienenden Engeln. Am unteren Bildrand führt ein wegweisender Engel einen Pilger an der Hand.

 

Traditionelle Kulturen basieren ihr Weltverständnis auf ein System symbolischer Entsprechungen, das dem Leben Struktur und Ordnung verleiht. Zwischen Vision, Traum und Schlaf, zwischen Erinnerung und Sehnsucht vernetzen die Bilder des Mythos die unterschiedlichen Ebenen unserer Wirklichkeit. Sie laden ein zu einem Leben ‚unter dem Aspekt der Ewigkeit’ dadurch, dass sie Wege in eine Dimension jenseits aller polaren Erscheinungsformen erfahrbar machen…. ‚auf der Suche nach der inneren Zukunft in dieser Vergangenheit, in der viel Ewiges eingeschlossen ist’. (Rilke)

Dem getanzten Marienlob liegt das ‚Gebet des Herzens’ zugrunde, wie auch die Verehrung der Bereitschaft Marias, den Schöpfungsprozess in seiner Ganzheit in sich aufzunehmen.

Die Gestalt der Maria vereint in sich viele Urbilder weiblicher Schöpferkraft: Im christlichen Mythos verkörpert die ‚Gottesmutter‘ der Ostkirche, in Verbindung mit ihrem Sohn noch die mythischen Vorstellungen des Altertums: Die verschiedenen Erscheinungsbilder der Großen Mutter verkörpern so die kosmische Einheit der Gestirne, das Zusammenspiel der Sonnen- und Mondphasen, und die göttlichen Himmelswege in ihrem irdischen Nachvollzug.

Die weiblichen Kräfte des Kosmos wurden verehrt in den drei Mondphasen – im hellen, jungfräulichen Sichelmond – im mütterlichen roten Vollmond und im Dunkelmond, als der verborgenen, weisen Kraft des Alters mit ihrem Gestaltwechsel hin zu einer neue Phase der Wirklichkeit.

Solche Urbilder, zeichenhaft dargestellt, sind Erinnerungsmodelle für tiefe Erfahrungen des Bewusstseins. Heute erkennen wir sie als Momentaufnahmen von Symbolbildern, als Metaphern für geistiges Potential zeitlos fließender Bewegung.

Die getanzten Themen umfassen fünf Erscheinungsformen der Großen Mutter in Gestalt der Maria, als:

- Unendlichen Schöpfungsraum Gottes,

- Morgenstern, der die Sonne offenbart,

- Gefäß der göttlichen Weisheit,

- Thron des Friedensfürsten,

- Lichtvolle Wegbereiterin der Auferstehung.

Die Meditation in Bewegung hat ihre Wurzeln in den archaischen Bewegungsbildern religiöser Kunst. Als Symbolformen im bewegten Nachvollzug eröffnen sie die Möglichkeit der Erfahrung erneuter Einbindung in den Schöpfungsprozess. In ihrem Anliegen der Wandlung des Menschen zu dienen, orientieren sich die Bewegungen an Raumformen der sakralen Kunst, und am traditionellen Kanon überlieferter Gebetsgebärden.

Maria-Gabriele Wosien

Auszug aus: M.G. Wosien 2019, Die Große Mutter. Maria-Friedenskönigin. Meditationen in Bewegung. 74 Seiten (Begleittext und Tanzanleitungen im Buch in englisch und deutsch) mit Musik-CD und DVD der Tänze; Vertrieb: www.metanoia-verlag.ch

Eine Leseprobe aus dem 5. Kapitel: Tanz-Meditation des Sonnenweges befindet sich im Anhang

Termine für Einführungsseminare mit Maria-Gabriele Wosien bitte hier klicken