Danke, liebe Barbara, dass du zwischen deinen vielen Aktivitäten Zeit gefunden hast für ein Gespräch, das wir als Basis für diesen Artikel geführt haben und in dem unsere Leser*innen mehr erfahren sollen über die Intention und das Programmangebot von Findhorn. Aus den Interview-Fragen, die du per Email bereits beantwortet hast, erfahren wir, dass du Musikerin bist und 33 Jahre in Findhorn gelebt hast.
Was hat dich eigentlich nach Findhorn geführt?
Mich hat der Umstand, dass ich in Schottland Urlaub machen wollte nach Findhorn geführt. Eine Dame im anthroposophischen Kindergarten in Salzburg, wo ich damals arbeitete, sagte zu mir: wenn du schon nach Schottland fährst, dann musst du dir unbedingt Findhorn anschauen. Das ist wie ein blühender Garten in der Wüste, im rauen Klima Schottlands. Später habe ich auch ein Buch gelesen, den Findhorn Garten. Da habe ich mich gewundert, dass da über Naturwesen berichtet wird, wie z.B. über Pan. Das klingt ja wie im Märchen, kann das echt sein? fragte ich mich. Aber das war ein Anreiz, dorthin zu fahren. Im Jahr 1974 habe ich als 23-jährige dort meine Experience week gemacht und eine mir völlig neue Welt entdeckt, denn es war alles irgendwie von Liebe und von Schönheit erfüllt. Die Teller z.B. waren handgemacht von den Töpfern und künstlerisch bemalt. Da war Schönheit und Harmonie und gleichzeitig etwas von einer höheren Schwingung bemerkbar. Ich war damals schon auf der Suche, wusste aber noch nicht wonach und als ich nach Findhorn gekommen bin, habe ich gesagt: ja, das ist es, ich möchte an so einem Ort mitarbeiten als ein Teil einer bewussteren Menschheit.
Wenn du jetzt nach über 30 Jahren zurückschaust, gibt es darüber hinaus vielleicht noch etwas von dem du sagen würdest: Das ist das ganz Besondere an Findhorn?
Also eigentlich ist es das Konzept ‘Eine Erde, eine Menschheit’, das ich hier zum ersten Mal kennengelernt habe und das heute mehr denn je wichtig ist. Wenn wir überleben wollen in dieser Welt, dann müssen wir zusammenarbeiten und einen Rahmen dafür schaffen. Und ich habe in Findhorn so etwas wie eine Experimentierkammer gefunden, wo man das liebevolle Miteinander üben kann, nicht nur mit Menschen, sondern auch mit Tieren und Pflanzen und wo auch die unsichtbare Welt mit einbezogen ist.
Es ist unglaublich, wieviele Angebote es in Findhorn gibt: Könntest du uns bitte einige Schwerpunktsetzungen im Programm von Findhorn nennen?
Ich würde mal sagen Spiritualität, Natur, Kunst und persönliches Wachstum. Alles, wo es um mehr Bewusstsein geht. Es gibt eine große Bandbreite.
Für welche Personengruppe sind denn die Angebote besonders interessant? Kann man das sagen?
Ich denke für alle, die in irgendeiner Art und Weise an der Verwirklichung einer besseren Welt mitarbeiten wollen. Wir setzen in Findhorn dazu auch Maßnahmen. z.B. fangen wir an 6 Tagen in der Woche den Tag mit Singen an, also Taizé inspiriert. Das ist etwas, das ich hierher gebracht habe nach meinem ersten Aufenthalt in Taizé. Ich fand: “Es ist so schön den Tag zu beginnen in dem wir uns dem Göttlichen öffnen, mit Dankbarkeit und Freude.“ Taizé verwendet ja auch viele verschiedene Sprachen. Wir verwenden in Findhorn nicht nur christliche Lieder sondern nehmen auch Gesänge aus anderen Religionen dazu. Damit ist eine Inter-religiöse Plattform entstanden, die alle Traditionen ehrt.
Wie schafft es Findhorn so viele internationale Gäste anzuziehen? Du hast es vorhin schon angesprochen, weil es viele Traditionen wertschätzt und auch viele Sprachen bedient. Aber gibt es vielleicht außerdem noch Gründe, von denen du glaubst, dass sie dafür maßgeblich sind?
Die 3 Gründer von Findhorn, Eileen und Peter Caddy und Dorothy Maclean, sind wirklich einen inneren Weg gegangen, sie sind ihrer inneren Stimme gefolgt, aus der sich eine tiefe Weisheit offenbarte. Dadurch haben sie wichtige Grundsteine für die heutige Gemeinschaft gelegt. Es ist auch so, dass Findhorn in der vorchristlichen Zeit eine Mysterien-Einweihungsstätte war wie Marko Pogacnik herausgefunden hat. Es wurde hier die Göttin verehrt und Findhorn als Ort scheint auch ein Earth-Chakra zu sein. Was hier passiert, das überträgt sich auf die Erde. Deshalb ist es wichtig, dass hier auch Dinge stattfinden, die die Menschheit nähren bzw. seelisch stärken und unterstützen.
Das klingt spannend und offensichtlich hat es ja auch funktioniert, wenn man bedenkt welche Impulse von Findhorn ausgegangen sind, die sich in der ganzen Welt verbreitet haben. Ich denke beispielsweise an die Sacred-Dance-Bewegung.
Soviel ich weiß, gibt es jeden Sommer ein Festival of Sacred Dance, Music & Song, das in Findhorn zu einem Fixpunkt im Jahr geworden ist. Wie ist dieses Festival zu einer Institution geworden und was erwartet einen Besucher/ eine Besucherin, wenn er/ sie dorthin kommt?
Sacred Dances oder Circle-Dances sind Teil der Einführungswoche, die jeder Besucher mitmacht. Für mich als junges Mädchen war es ein ganz großes Erlebnis im Kreis zu stehen, einander die Hände zu reichen, und mich tief verbunden zu fühlen durch diese einfachen Tänze - als Abbild dieser Idee ‘eine Erde, eine Menschheit’. Es hat dann auch immer wieder Festivals gegeben z.B. Spring-Festival of the Arts, wo verschiedene Musik Gruppen aus aller Welt eingeladen wurden. Bis schließlich Kate O'Connell eine Tanzwoche mit Live-Musik organisierte, anstatt weiter Musik-CD's bzw. damals noch Kassetten zu verwenden. Darauf hin haben wir Musiker in Findhorn uns zusammengeschlossen und begonnen ein Repertoire aufzubauen. Die Woche ist so gut angekommen und war so erfolgreich, dass sie sich bis heute erhalten hat. Peter Vallance ist ein guter Organisator. Neben ihm hat sich eine Gruppe gebildet mit Laura Shannon und verschiedenen Leuten wie Susanne Bartholomäi, denen es am Herzen liegt, diese Findhorn-Tradition nicht aussterben zu lassen. Früher war es ja hauptsächlich Anna Barton, die Sacred Dance in der Welt verbreitet hat. Mittlerweile hat sich dieser Fächer geweitet.
Was den Gast erwartet, ist folgendes: Es gibt jedes Jahr einen Gastreferenten, das ist diesmal Renata Ramos aus Brasilien, und dann gibt es weitere Tanzgattungen, die abgedeckt werden: Laura Shannon macht Balkantanz, Susanne Bartholomäi die Tanzmeditation, also die spirituelle Art der Bewegung. Ich selbst mache meistens Friedenstänze, Dances of Universal Peace, und dann gibt es meistens noch schottischen Tanz, indische Tänze usw. Jeden Abend gibt es ein anderes Thema. Der Vormittag ist meist dem Gastreferenten und der Meditation des Tanzes gewidmet, an den Nachmittagen gibt es verschiedene Workshops wie Singen, beim ‘Scratch Orchestra’ mitspielen oder eine spezielle Tanzrichtung kennenlernen.
Wer hat die Kreistänze in Findhorn eingeführt? Stimmt es, dass es Bernhard Wosien war?
Ja, Peter Caddy, ein Gründer von Findhorn hat Bernhard Wosien als Tanzmeister in Deutschland bei einer Tagung erlebt. Er lud Bernhard ein, weil er sah, dass diese Art zu tanzen dem Geist von Findhorn entspricht. Ich glaube, Bernhard kam 1976 das erste Mal nach Findhorn, begleitet von seiner Tochter Maria Gabriele. Bernhard fand bei den Menschen in Findhorn einen fruchtbaren Boden, auf dem die Tänze wachsen konnten. Da war eine Art Bereitschaft vorhanden, den Tanz als Meditation aufzunehmen, weil ja auch täglich meditiert wurde. Die Menschen waren offen, die Bedeutung der Schritte, Rhythmen und Handhaltungen tiefer zu erleben und darin ein Abbild des Himmels auf der Erde zu sehen. Gabriele Wosien erzählte, dass diese Erfahrung in Findhorn für sie damals richtungweisend war. Sie war gerade aus Indien zurück gekommen und fühlte sich unschlüssig wie ihr Leben weitergehen solle. Aber durch die Erfahrung in Findhorn ist bei ihr “der Groschen gefallen” und sie erkannte das unwahrscheinlich große Potenzial, im Tanz die Menschen miteinander zu verbinden wie auch mit dem Kosmos, mit Himmel und Erde, im Sinne eines Werkzeugs für den Frieden und ein höheres Bewusstsein.
Du hast anfangs gesprochen von der Experience Week, die man zu besuchen hat. Ich selbst habe vor vielen Jahren eine mitgemacht und danach eine Tanzwoche mit Laura Shannon. Ist es verlangt, vor diesem Festival auch eine Experience Week zu besuchen oder gibt es hier eine Ausnahme?
Gute Frage, ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich würde denken, dass man zum Tanzfestival auch ohne Experience Week hinfahren kann. Aber in diesem Jahr gibt es direkt vor dem Festival, vom 29.6. - 6. Juli eine spezielle Music Experience Week, die ich persönlich leite. Das ist eine Erfahrungswoche für den Findhorn Spirit, aber angereichert mit Musik, mit Singen und mit Tanz.
Super, dass du das erwähnst, denn das wäre meine nächste Frage gewesen. Würdest du uns bitte erläutern was das Besondere an dieser Music Experience Week ist?
Die Experience Week ist die Möglichkeit, die Gemeinschaft bzw. den Geist von Findhorn von innen kennen zu lernen. Man ist eine Gruppe, man ist eingeladen bei verschiedenen Arbeitsbereichen mitzumachen, es gibt Ausflüge in die wunderbare Natur, Tanz-Sessions, Singen ist dabei. Am Abend kommen Mitglieder aus der Community um über ihren Werdegang zu berichten, was sie erlebt haben, was für sie wichtig war und wie für sie die Zusammenarbeit mit den anderen Menschen aber auch mit der unsichtbaren Welt aussieht.
Auf der Website heißt es über die Experience Week...an introduction to the essence of the Findhorn Foundation. Wie würdest du diese Essenz der Findhorn Foundation in einem Satz beschreiben?
Ich möchte dazu Dorothy Maclean zitieren, die gesagt hat:
- Von allen religiösen oder spirituellen Traditionen wissen wir, dass Gott Liebe ist.
- Diese Liebe Gottes lebt in deinem Herzen
- Wenn du Fragen an das Leben hast, dann gehe in dein Herz.
Musik und Tanz sind ein sehr wichtiger Bestandteil im Programm. Welche Seminare darüber hinaus kann man in Findhorn besuchen?
Wir haben jetzt gerade eine große Konferenz hinter uns, in der es um Klimawandel ging. Das war eine schöne große Veranstaltung, die viele Fragen aufgeworfen und viele Menschen wachgerüttelt hat. Über die aktuellen Themen informiert man sich am besten auf der Webseite www.findhorn.org
Vieles ist hier von der Initiative Einzelner abhängig. Letztes Jahr haben wir in Eigenregie ein Taizé–Festival gemacht, welches den 30 jährigen Bestand unseres morgendlichen Singens feierte.
Kürzlich las ich wieder einen Artikel von ROC (Richard Ogilvie Crombie) einem der geistigen Beschützer von Findhorn, der stark mit der geistigen Welt in Verbindung stand. Er beschrieb zwei Arten von Menschen. Jene, die nur das für wahr halten, was sie mit den Augen sehen und mit den Händen berühren können und andere, die glauben können, dass es etwas Geistiges, etwas Göttliches gibt. Wenn ein materialistischer Künstler ein Kunstwerk herstellt, wird ihm eine Dimension fehlen, wenngleich es ästhetisch schön sein kann. Wenn der Künstler aber mit der geistigen Welt in Verbindung ist, bekommt sein Werk eine zeitlose, ewige Dimension. Durch diese Verbindung mit dem Göttlichen kommt etwas in die Welt, was die Menschen transformiert. ROC sprach von Musik als wichtigem Medium um der Welt zu zeigen, worum es hier in Findhorn geht. Beim Singen oder beim Tanzen bzw. bei allen künstlerischen Aktivitäten gilt es, einen Kanal zur geistigen Welt zu öffnen, so dass die Menschen Freude und Heilung erfahren können. Wenn ein Künstler dafür offen ist, werden alle von dieser Qualität berührt, ob sie an eine geistige Welt glauben oder nicht. So ein Erlebnis kann das Leben verändern.
Gibt es etwas, das du unseren LeserInnen an dieser Stelle noch erzählen möchtest?
Mein Jahrestraining in der Schweiz läuft jetzt unter dem Motto Friedensstifter zu werden durch Musik, Tanz und Singen. Ich denke in unserer jetzigen Zeit liegt es an jedem Einzelnen zu einer Welt beizutragen, von der unsere Herzen träumen, sonst gibt es keine lebenswerte Zukunft. Menschen, die den Wunsch nach Liebe, Freude und Frieden im Herzen tragen, müssen jetzt aktiv werden. Und weil wir in Findhorn schon etwas in die Jahre gekommen sind, möchte ich mich damit auch an jüngere Menschen wenden, dass sie es weitertragen. Gerne möchte ich nächstes Jahr junge Menschen dazu einladen, die Sing und Tanztradition in Findhorn kennenzulernen, weil sie etwas Berührendes, etwas Belebendes und Befruchtendes ist. Sie sollte eigentlich jedem Menschen zugänglich sein und weiter gegeben werden können, zum Wohle aller Wesen.
Mein zweites Steckenpferd - weil ich ja Musikerin bin und in meiner eigenen Musikerziehung auch Traumata erlebt habe – ist die Verbreitung eines pädagogischen Systems das nicht durch Stress oder hierarchisches Lernen bestimmt ist sondern einen neuen, lustvollen Zugang zum Lernen eröffnet, gezeigt am Beispiel von Musik und Noten verstehen. Zu sehen auf meiner website http://www.barbaraswetina.com
Ein schöner, zukunftsorientierter Ansatz und zugleich ein schönes Schlusswort. Wir wünschen dir viel Freude und Erfolg bei der Umsetzung deiner Projekte! Herzlichen Dank für das anregende Gespräch.
Das Gespräch wurde von Ulli Bixa per Skype mit Barbara Swetina geführt.
Hinweis der Redaktion: Summer Song Dance and Music Week, Corfu mit Barbara Swetina von 7.-14. August 2019
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